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Wie drei junge Kölner zu Internet-Milliardären wurden

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Wenn Sie diese Zeilen lesen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie das Unternehmen Zalando kennen (so wie 95% der Deutschen), und vielleicht haben Sie auch schon einmal etwas von den Internetunternehmen Jamba oder Groupon gehört. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass Sie schon etwas von Alexander, Marc und Oliver Samwer gehört haben. Dabei stecken diese drei Kölner – die jedoch seit dem Beginn ihrer unternehmerischen Aktivitäten im Jahre 1999 in Berlin leben und arbeiten – nicht nur hinter dem Klingeltonanbieter Jamba, dem Gutscheinanbieter Groupon, der Datingplattform Edarling oder dem Schuh- und Textilhändler Zalando: Dies ist ein faszinierendes Buch, das mit ungeheurer Detail- und Fachkenntnis die erstaunliche Geschichte von drei jungen Männern erzählt, die aus dem Nichts heraus mehr als 100 Internet-Unternehmen gegründet haben, mit denen sie in über 50 Nationen aktiv wurden und in denen rund 25.000 Menschen arbeiten.

Die Darstellung bewegt sich zwischen fassungsloser Faszination über die Energie, Schnelligkeit, Konsequenz, Intelligenz und Kreativität der Brüder und fassungslosem Erschrecken über die Führungsmethoden, insbesondere von Oliver Samwer, der Führungsfigur unter den drei Brüdern. Hier wird ein Bild von überaus intelligenten, jungen Männern (Abidurchschnitt 0,66 bzw. 0,8) gezeichnet, die mit ihrem bedingungslosem Erfolgskonzept ihre Mitarbeiter oft zur Verzweiflung brächten. “Arbeitszeiten von 7.30 am Morgen bis 24 Uhr in der Nacht waren die Regel des erfolgshungrigen Unternehmers”, heißt es über Oliver Samwer. (S. 58). Und er verlange Ähnliches nicht nur von seinen Mitarbeitern, sondern er werfe in der Wut schon einmal Büromaterialien nach Angestellten und selbst gestandene Mitarbeiter verließen weinend Meetings. (S. 30) Über Oliver Samwer berichtet ein ehemaliger Manager: “Wenn er eine Person für unbedeutend hält oder sich nicht für ihre Belange interessiert, verbringt er auch praktisch keine Zeit mit ihr, sondern lässt sie einfach stehen. Er sagt nicht Hallo, er sagt nicht Auf Wiedersehen, sondern lässt Leute völlig im Regen stehen. Auch bei Telefonaten fängt er einfach an loszureden und legt auf, sobald er gesagt hat, was er sagen wollte.” (S. 33) Als die Website seines Unternehmens während eines TV-Auftritts des Teams abstürzte, habe er sich derart aufgeregt, dass seine Mitgründer sich auf ihn werfen mussten, weil sie fürchteten, er könnte sich in der Wut, mit der er um sich schlug, selbst verletzen oder einen Herzinfarkt erleiden. (S. 59) Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtet, es sei an der Tagesordnung gewesen, dass Oliver Samwer cholerische Anfälle bekam, bei denen er auch hin und wieder handgreiflich geworden sei. “Oft griff er Mitarbeiter von hinten an die Schulter und rüttelte sie durch, wenn er auf ihrem Bildschirm etwas gesehen hatte, das ihm missfiel.” (S. 97)

Allerdings: Ganz ähnliche Geschichten gibt es auch über Bill Gates oder Steve Jobs und andere erfolgreiche Unternehmer – ich habe Dutzende Beispiele dazu in einem Kapitel meines Buches “Setze dir größere Ziele” zusammengetragen. Was das vorliegende Buch auszeichnet, ist seine Ausgewogenheit – so scheint es jedenfalls dem Rezensenten, der die Samwer-Brüder noch nicht persönlich kennen gelernt hat. Ich habe in meinem Leben Hunderte Biografien über Unternehmer, Investoren und Politiker gelesen. In vielen Fällen erliegt der Autor entweder bedingungslos der Faszination der Person, mit welcher er sich viele Jahre seines Lebens biografisch befasst – dann verkommt das Buch nicht selten zu einer unkritischen und manchmal sogar peinlichen Hagiographie. Oder aber der Autor hat sich vorgenommen, alles Negative über eine Persönlichkeit zusammenzutragen, was sicherlich auch nicht zu einem differenzierten Bild führt.

Bei der Lektüre des Buches von Kaczmarek hat man den Eindruck, dass der Autor im besten Sinne – wie es der Historiker Ranke einmal formulierte – darstellen will, “wie es eigentlich gewesen ist”, wobei die faszinierenden Seiten der drei Brüder ebenso deutlich und stark zum Ausdruck kommen wie die oben zitierten abschreckenden Geschichten über das zwischenmenschliche Verhalten bzw. den Führungsstil, insbesondere von Oliver Samwer. Für ein endgültiges Urteil sei es ohnehin noch zu früh, da sich fast alle Unternehmen, die die Brüder gegründet haben, noch in der Verlustphase bewegten.

Die Liste aller bekannten Investments der Samwer-Brüder (S. 357 ff.) enthält 114 (!) Unternehmen und die Liste aller Gründungen und Beteiligungen der Samwer-Firma United Internet enthält 101 Internet-Firmen. Beeindruckend ist jedoch vor allem die Liste aller bekannten Samwer-Exits – mit den dazugehörigen Käufern und dem Wert des Unternehmens beim Exit. Allein der Teilexit von Zalando brachte mehr als 500 Millionen Euro. Insgesamt, so schätzt der Autor des Buches, dürften die drei Brüder durch die zahlreichen Exits von Internetfirmen Milliardäre geworden sein. Da fällt auch nicht weiter ins Gewicht, dass das Buch ebenso eine Liste von insgesamt 44 Samwer-Pleiten enthält. (S. 368 f.) Die Verluste erlitten in diesen Fällen meistens nicht die Brüder, da sie ganz überwiegend mit den Geldern von Investoren arbeiteten und kaum eigenes Geld einsetzten.

Die Erfolgsgeschichte der drei Brüder begann am 19. Februar 1999 mit der Gründung des Unternehmens Alando. Hier wird bereits ein Muster zahlreicher späterer Gründungen deutlich: Man versucht nicht, etwas völlig Neues zu erfinden, sondern kopiert eine bereits in den USA erfolgreiche Internetfirma – in diesem Fall Ebay. Bereits zwei Monate nach der Gründung des Unternehmens ging es Online. Und, noch erstaunlicher: Bereits am 15. Juni 1999, also weniger als vier Monate nach der Gründung, übernahm das Unternehmensvorbild Ebay Alando im Austausch gegen 316.000 Aktien (S. 71) und brachte einen Verkaufserlös von 61,2 Millionen Dollar. Angeblich bescherte dies den Gründern von Alando neun Millionen Euro. Oliver Samwer selbst sagte später: “Wir haben Alando überhaupt nicht zum richtigen Zeitpunkt verkauft. Wir waren doch Idioten, dass wir ausgestiegen sind. Wir waren die größte deutsche Auktionsseite. Heute macht Ebay 120 Millionen Gewinn im Jahr…” (S. 76)

Die nächste Unternehmensgründung war Jamba, dessen Kerngeschäft bald Abos von Klingeltönen waren. Bei diesem Unternehmen wird ein weiteres Muster deutlich, das auch für andere spätere Gründungen charakteristisch gewesen sei: Der Umsatz wurde um jeden Preis in die Höhe getrieben, auch um den Preis eines negativen Images bei Kunden und in der Öffentlichkeit. Viele Nutzer hätten gar nicht verstanden, dass sie nicht einen einzelnen Klingelton, sondern ein Abo gekauft hätten. Verbraucherschützer und Medien liefen Sturm, doch die Brüder blieben bei ihrer Strategie. Und es gelang ihnen schließlich wieder, in kurzer Zeit ihr Unternehmen – diesmal für eine Summe von 273 Millionen US-Dollar – an VeriSign zu verkaufen. (S. 115) Zum Zeitpunkt des Verkaufs hätten sie noch über 10 bis 20 Prozent an dem Unternehmen verfügt (S. 116) und ihre Investoren machten einen sehr guten Schnitt. Nachdem die Brüder ausgeschieden seien, sei das Unternehmen dann jedoch rasch zusammengefallen, wie auch in vielen anderen Fällen. (S. 120)

Das gleiche Muster habe sich beispielsweise auch bei dem Gutscheinanbieter Groupon gezeigt. (S. 212) Die Brüder hätten bei ihren Unternehmen oftmals den Umsatz um jeden Preis in die Höhe getrieben. Das negative Image bei den Kunden (im Fall von Jamba bei jungen Menschen, im Fall von Groupon bei Firmenkunden) habe dann nach dem erfolgten Exit und dem Rückzug der Brüder dazu geführt, dass das Unternehmen ebenso schnelle und hohe Umsatzeinbußen habe hinnehmen müssen wie zuvor Umsatzsteigerungen. Von Gewinnen war bei den Unternehmen ohnehin nicht die Rede. Mit einem riesigen Marketingaufwand wurde in der kürzest möglichen Zeit der Umsatz nach oben getrieben.

Das kann einen Sinn haben, um die Marktführerschaft gegen den Wettbewerb zu erreichen. Denn mehr noch als bei anderen Unternehmen zählt im Internet Schnelligkeit – nicht zuletzt deshalb, weil eben jeder andere ein erfolgreiches Modell kopieren kann. Deshalb geht es in der Tat nicht darum, Erster zu sein, sondern derjenige mit dem schnellsten Wachstum. Das hatten auch Unternehmensgründer wie Steve Jobs und Bill Gates begriffen. Aber der Autor des Buches vermittelt den Eindruck, den Samwer-Brüdern sei es vor allem darum gegangen, durch teuer erkauften Umsatz eine hohe Bewertung und damit einen guten Profit beim Exit zu erzielen. Und dies auf Kosten von massiven Imageproblemen und zerstörten Kundenbeziehungen, die den Keim des späteren Niedergangs in sich bergen.

Bei der erfolgreichsten Gründung der Samwer-Brüder, dem Schuh- und Textilportal Zalando, sei dies jedoch nicht der Fall gewesen. Gemeinsam mit den anderen Firmengründungen sei hier gewesen, dass man sich ein bereits in den USA erfolgreiches Geschäftsmodell (Zappo) zum Vorbild genommen habe. Das sei durchaus logisch gewesen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine neue Internetfirma funktioniert, sei eben bei einem bereits im Ausland erfolgreichen Modell sehr viel höher als bei einer ganz neuen Idee. Vor allem: Dies sahen und sehen auch die Investoren so, die Oliver Samwer inzwischen zu Milliarden-Investments motivieren konnte: Sie waren eher von der “Story” eines bereits an anderer Stelle funktionierenden Unternehmens zu überzeugen.

Anders ist bei Zalando möglicherweise auch, dass das Unternehmen tatsächlich Gewinne erzielt. Zumindest meldete das inzwischen nicht nur in Deutschland bekannte und erfolgreiche Unternehmen – nach dem Erscheinen des Buches – erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Gewinn.

Mit dem Unternehmen “Rocket Internet” schufen die Brüder einen strukturierten Prozess, um möglichst rasch andere Gründungen im Internet-Bereich zu identifizieren, nachzubauen und mit einem kompetenten Team zu bestücken. “Besonders in den USA bediente sich der deutsche Inkubationspionier bei unterschiedlichen Geschäftsideen und baute entsprechende Ableger nach… Die Samwers konzentrierten sich darauf, Innovationen bei der Umsetzung hervorzubringen, nicht bei der Ideenfindung. So kopierten sie während Rockets Ausbau zahlreiche Geschäftsmodelle, wobei sie deutsche Wettbewerber ebenso kopierten wie fremdländische Konzepte. Praktisch alle durch Rocket erzeugten Unternehmen waren auf die eine oder andere Weise Kopien fremder Geschäftsideen und prägten dafür in der Branche den Begriff ‚Copycat’.” (S. 163) Auf S. 163 findet sich eine Liste, mit der diese These belegt wird – mit den Namen der Samwer-Gründungen und dem Firmennamen des Vorbildes, das man kopierte.

Bei der Lektüre des faszinierenden Buches habe ich mir manchmal die Frage gestellt, wie die Samwer-Brüder wohl darauf reagieren werden. Werden sie – wie andere Persönlichkeiten, denen Biografien gewidmet wurden – flunkern und behaupten, dass sie das Buch gar nicht gelesen hätten? Das würde ich jedenfalls nicht glauben – sie haben es bestimmt von der ersten bis zur letzten Seite verschlungen. Manchmal wohl mit Stolz und an anderer Stelle mit Ärger. Ich finde, der Stolz sollte überwiegen: Dass sie in ihrer Anfangszeit und im jugendlichen Ungestüm Fehler machten – z. B. den Umsatz von Unternehmen zu kurzfristig aufzupumpen, um sie für einen Exit schön zu machen – verliert heute an Bedeutung, da man bei dem mit Abstand wichtigsten und erfolgreichsten Unternehmen, nämlich Zalando, diesen Fehler nicht wiederholt, was auch der Autor anerkennt. Alleine diese Aussage eines kritischen Biografen wird im Umfeld eines Börsengangs einen hohen Glaubwürdigkeitsgewinn bedeuten. Als PR-Berater würde ich den Brüdern jedenfalls den Rat geben, genau so zu argumentieren.

Auch den Vorwurf, man habe vieles kopiert, können die Brüder gelassen sehen. Sam Walton, der mit Abstand erfolgreichste Einzelhandelsunternehmer der Welt, bekannte in seiner Autobiografie, er habe fast alles, was er “erfunden” habe, von anderen Einzelhändlern abgeschaut. Er hat es nur schneller, größer, konsequenter und effizienter umgesetzt. Und genau dies ist wohl auch das Erfolgsgeheimnis der drei Brüder. R.Z.

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